Die letzten Radelwochen haben Flo und mich von Holland über Belgien und ein ganz kleines bißchen Frankreich nach England gebracht. Eigentlich war England gar nicht auf unserer Liste für diese Tour aber da wir Freunde in London haben, dachten wir spontan "warum eigentlich nicht?" :-)
Von Holland gings gemeinsam mit Gildas und Alice (Radler aus Frankreich) nach Brügge in Belgien. Die beiden haben wir bereits in Dänemark kennengelernt und immer wieder getroffen, da sie in etwa dieselbe Tour wie wir geplant hatten.
Die Fahrt über Zeeland - eine Inselregion im Süden Hollands - und die Grenze nach Belgien war sooo windig, sodass ich jetzt weiß, warum in Holland so viele Windräder stehen (siehe auch "Von Dänemark nach Holland vom Winde verweht"). Jedenfalls haben wir uns mega gefreut, als wir an der Grenze waren:
Und wieder mal ein schönes Gefühl der Freiheit, dass zwischen so vielen europäischen Ländern keine Grenzkontrollen mehr bestehen. Oft ist nicht mal ein Schild da über die Grenzinfo. Das ist eines der Dinge, die ich auf dieser Reise besonders genieße und wertschätze.
Belgien haben wir dann eigentlich nur kurz für 2 Tage angerissen. Wir waren einen Tag in Brügge und haben uns die tolle mittelalterliche Stadt angeschaut. Zum Radeln aber suboptimal weil überall mittelalterliche Rumpelstraßen verlegt sind. Aber ansonsten war ich seeehr begeistert von Brügge. Am nächsten Tag gings rauf an die belgische Küste und mit Strandfeeling an der ewig langen Promenade entlang nach Frankreich. Von hier aus wollten wir mit der Fähre rüber nach Dover in England.
Was uns beim Einchecken in die Fähre irritiert hat, waren die vielen Grenzkontrollen und Absperrungen, Zäune usw. Flo und ich mussten vorher zweimal unseren Pass herzeigen: einmal der französischen Grenzpolizei und einmal der Britischen. Solche Kontrollen hatten wir noch in keinem der 12 Länder, die wir davor bereist hatten. Es hat mich an die Zeiten vor dem Schengener Abkommen erinnert, als wir immer an der Landesgrenze für Kontrollen stehen bleiben mussten. Einmal mehr war ich dankbar für die Offenheit der anderen Länder durch die wir gereist sind.
Naja, jedenfalls waren wir nun in England - neues Land, neue Währung, neue Sprache (juhu englisch, da versteht man zumindest das meiste) und ..... Linksverkehr ahhhh!!! Ich muss ehrlich sagen, mit dem Linksverkehr hatten wir zumindest am Anfang beim Radeln so unsere Probleme. Wo schaue ich jetzt hin, kommt das Auto von rechts oder links, wie ist das mit dem Abbiegen an der Kreuzung??? Aber nach der anfänglichen Überforderung haben Flo und ich auch das gemeistert. Und die englischen AutofahrerInnen sind wirklich ausgesprochen höflich und rücksichtsvoll.
Unser erster Radausflug hat uns direkt von der Fähre zu den White Cliffs (Kreidefelsen) bei Dover geführt. Der "Radweg" führte über mehrere Stiegen ziemlich steil vom Meer hinauf zu den Klippen. Ich hab gedacht, meine Arme brechen durchs Schieben des schweren Rads ab und wollte nur noch weinen. Nachdem Flo oben in der Touri-Info nachgefragt hatte, ob wir direkt zu den Klippen mit den Rädern fahren könnten war die Auskunft: "No problem but it might be a bit bumpy." Also sind wir mit Sack und Pack los, auf Rumpelwegen dahin und die Klippen neben uns hundert Meter runter. Puh da war mir schon etwas mulmig zumute aber die Aussicht war einfach toll. Dann wurde es schon etwas schwieriger weil es überall Schafzäune gab, durch die wir mit unseren schweren Rädern nicht so einfach durch kamen. Wir mühten uns ab und haben die Räder mit den Taschen irgendwie hinübergehievt. Wieder dachte ich, dass meine Arme gleich abbrechen! Aufgemuntert wurden wir von den englischen BesucherInnen, die uns sehr amüsant fanden und ihren Spaß mit uns hatten. Nur ein deutscher Tourist hat uns ermahnt: "Ich glaube nicht, dass das erlaubt ist!" Hmm keine Ahnung ob es erlaubt war aber jedenfalls war es wohl keine so gute Idee gewesen und ich rate dringend vom Nachahmen ab :-)
Das Radeln in England war insgesamt ganz ok - nachdem wir uns mal an den Linksverkehr gewöhnt hatten. Zunächst gings die Südküste am Meer entlang und dann rauf Richtung London. Meist sind wir auf kleinen und nicht viel befahrenen Straßen geradelt, immer steil rauf und runter, rauf und runter.... England ist nämlich ziemlich hügelig. Und meistens hatten wir keine Aussicht weil fast durchgehend links und rechts neben den Straßen riesig hohe Hecken stehen. Das ist einerseits schade, weil man wirklich wenig von der Landschaft mitbekommt. Andererseits hatten wir Tage mit 50km/h Gegenwind, wo wir soo dankbar für jeden einzelnen Baum waren. Da die Straßen so eng sind bedeutet das auch, dass es für Autos wenig Auswegmöglichkeiten gibt. Wenn der Traktor von oben kommt musst du als Autofahrer wieder zurück nach unten fahren bis du ausweichen kannst. Ich hab in England auch gelernt, mich nicht stressen zu lassen wenn ich einen steilen Weg nach oben schwitze und hinter mir bereits eine Autokolonne entstanden ist. Irgendwann wirds schon eine Möglichkeit zum auf die Seite fahren geben... :-)
Übernachtet haben wir wie auch zuvor meistens im Zelt. Aber den Herbstbeginn haben wir schon deutlich gespürt und grad die Abende und der Morgen im Zelt sind schon etwas ungemütlich. Die letzten Nächte hat es sogar gefroren. Da hilft nur noch, so viele Schichten an Kleidung anzuziehen, wie möglich ist. Das schlimmste was in so einer Nacht passieren kann ist, dass man aufs Klo muss. Ist mir natürlich passiert. Wahrscheinlich etwas psychosomatisch weil ich mir vorher schon überlegt hab, dass es das schlimmste ist, was passieren kann. Und der Liter Cider den Flo und ich vorm schlafen gehen verdrückt haben, kann auch ein Mitgrund gewesen sein. Damit das Campen also ein wenig annehmlicher ist, haben wir eigentlich fast immer auf Campingplätzen übernachtet. So konnten wir am Abend zumindest eine warme Dusche genießen. Hier gibt es auch einige Pubs, die Campingplätze anbieten - wirklich eine tolle Kombination, die wir auch gern genutzt haben :-)
Und meistens sind wir schon fast die einzigen Verrückten, die bei den frostigen Temperaturen noch im Zelt übernachten. Radreisende treffen wir auch so gut wie gar keine mehr am Weg. Der einzige Vorteil der Kälte ist, dass uns keine Stechviecher wie Wespen und Gelsen mehr nerven.
Eines Tages - es dämmerte bereits - fanden wir nichts zum Übernachten. Alle Campingplätze in der Umgebung waren geschlossen und wir fanden keinen Platz zum wild zelten. Das Problem in England ist nämlich, dass ALLES abgezäunt, verriegelt und versperrt ist. Hier kannst du nicht einfach durch den Wald oder über eine Wiese spazieren. Zäune und Schilder erinnern dich daran, dass das Betreten eigentlich überall verboten ist.
Jedenfalls hat uns in der Situation spontan eine nette Frau eingeladen, in ihrem Garten das Zelt aufzustellen. Als Gegenleistung haben wir gekocht, worüber sie sich wiederum sehr gefreut hat. Insgesamt hatten wir in England wieder viele nette Begegnungen und die Leute waren überall offen, freundlich und interessiert. Eigentlich komisch, da sie ja alles komplett abriegeln und versperren... Wir haben abseits vom Zelten auch vermehrt das Angebot von "warmshowers" genutzt. Es ist eine Plattform ähnlich wie Couchsurfing, aber nur für Radreisende gedacht. Radreisende bieten hier anderen Radreisenden ihre Couch/ Gästezimmer gratis für 1-2 Nächte an. Dabei kann man sich auch immer nett austauschen und kennenlernen. Im Sommer haben wir es eigentlich nur einmal in Polen genutzt (siehe "Auf holprigen Wegen durch Polen") aber jetzt ist es immer wieder eine willkommene Abwechslung zum eeeeiskalten Zelt. Unsere erste Übernachtung in England war bei Daniel über warmshowers. Obwohl er in der Nacht arbeiten musste und noch jemand anderer über warmshowers bei ihm übernachten wollte, sagte er uns zu. Er hat uns sogar genau beschrieben wo wir seinen Haustürschlüssel finden können falls er nicht daheim sein sollte. Und das alles ohne dass er uns je zuvor gesehen hat. So ein Menschenvertrauen finde ich wirklich bewundernswert. Jedenfalls hatten wir einen feinen Abend gemeinsam mit Christa, einer Radlerin aus Deutschland und Daniel hat sogar noch für uns gekocht und von seiner Arbeit im Atomkraftwerk erzählt. Mit Christa sind wir den nächsten Tag dann gemeinsam die Südküste entlang geradelt und nach Dungenees gekommen, wo das Atomkraftwerk steht. Eine sehr surreale Umgebung.
Auch in London haben wir bei verschiedenen warmshowers Gastgebern übernachtet und so einen kleinen Einblick in die verschiedenen Londoner Lebenswelten erhalten. Pubbesuche durften natürlich auch hier nicht fehlen, genauso wie hitzige Diskussionen über den Brexit. Insgesamt war London wirklich super und überraschend gut zum Radfahren. Es gibt hier viele Radwege und richtige Radhighways, wo die Londoner in die Arbeit rasen. Ich war froh, dass wir schon so gut trainiert sind weil wir sonst nicht mithalten hätten können. Es ist teilweise schon abenteuerlich, die riesigen zweistöckigen roten Busse zu überholen und sich durch den Londoner Verkehr zu schlängeln. Hat aber auf jeden Fall Spaß gemacht! Meinen Schulfreund Flo, der in London wohnt, haben wir auch getroffen und sind mit seiner kleinen Tochter Marlene an der Themse entlang spaziert. Ansonsten haben wir auf Sehenswürdigkeiten weitestgehend verzichtet und einfach die Pubs, Parks und das Londoner Gewusel genossen.
Von London gings dann weiter Richtung Bristol immer an der Themse entlang mit vielen Schwänen und Hausbooten. Auch in Bristol haben wir über warmshowers bei einem netten Pärchen übernachtet. Wir kennen uns jetzt total gut mit Fotografie von Poledancern sowie Vögelbeobachtung im Blatt-Tarnanzug aus. Es ist schon witzig, welche Leute man auf so einer Reise trifft und über welche Themen man spricht. In Bristol hats dann ein paar Tage geregnet und wir hatten folgende Optionen:
Oder....
Wir haben uns für letzteres entschieden und uns ein paar Tage in ein feines Hotel verkrochen. Heeeerrlich!! Tja und von Bristol aus sind dann wir in ein paar Tagen (weiterhin sehr hügelig rauf und runter) zur Fähre nach Plymouth. Diese hat uns nach Frankreich in die Bretagne geschifft und wir haben dabei das erste Mal auf einer Fähre übernachtet.
Und wie geht jetzt die Reise weiter? Vielleicht merkt man es an diesem Artikel aber Flo und ich sind vom herbstlichen campen nicht sehr begeistert. Wir sind eindeutig bevorzugt Sommercamper. Aus diesem Grund haben wir für Anfang Oktober einen Flug gebucht. Wohin, ob wir weiterradeln und so weiter erfährt ihr im nächsten Blogartikel. Nur so viel sei verraten: Heeeey, ab in den Süüüden, der Sonne hinterher... lalalala :-)
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Martina (Montag, 01 Oktober 2018 12:05)
Liebe Anna, ich bin total beeindruckt - von deinen Berichten, den Bildern und deinem Durchhaltevemögen!
Und ich bin schon total gespannt darauf, aus welchem warmen Land ihr weiter berichtet :-))
Festen Drücker aus dem langsam doch herbstlichen Wien <3
Radlerin (Dienstag, 02 Oktober 2018 16:09)
Hallo Martina,
Danke, wir sind auch schon ganz gespannt wie es weiter geht :-)
Viele liebe Grüße nach Wien!!
Conny (Donnerstag, 04 Oktober 2018 23:33)
Waaah ihr seids ein Wahnsinn, sooo genial, kann nicht genug bekommen vom Lesen. Hoffe ihr findet bald nach Wien oder wir treffen uns iwo? Sind eure Handys noch aktiv, ihr habt ja eins verloren oder?
Freu mich von euch zulesen... vermiss euch �,
Conny
Radlerin (Freitag, 05 Oktober 2018 08:24)
Hi Conny,
Unsere Handys sind wieder beide aktiv nachdem meines kaputt und Flos gestohlen worden ist :-)
Nach Wien wird noch etwas dauern aber du kannst uns gern im Süden besuchen kommen. Wir würden uns freuen :-)